Gabenbringer gehen um

Wenn das Christkind klingelt

Wenn es dunkel wird, ziehen am 24. Dezember im unterfränkischen Breitensee verkleidete Jungen und Mädchen von Haus zu Haus und beschenken Kinder. Sie überbringen die Weihnachtsbotschaft von der Geburt Christi in Bethlehem. Vier Kinder sind es, die Verse aufsagen sowie Glanz und frohe Stimmung in die Wohnstuben zaubern. Der alte Brauch des „Christkindlesgehens“ reicht mehr als 500 Jahre zurück – und ist zusehends bedroht.

Mit strahlendem Gesicht steht der Mohr mit Turban und rotem Gewand neben dem Christkind und präsentiert einen kleinen Christbaum mit Kugeln. Voraus schreitet der Ansager im weißem Gewand mit Vollbart und Hut sowie einer Glocke und klingelt damit vor den Türen. Bevor er eintritt, fragt er, ob der Hausvater oder die Hausmutter das „heilige Kind“ hereinlassen möchte. Antwortet man mit „Ja“, so kommt das Christkind im weißen Kleid mit seinen Begleitern herein. 

„Christ ist nicht fern“

Als Erster spricht der Ansager: „Guten Abend, ihr lieben Herrn, der heilige Christ ist auch nicht fern. Ich glaub’, es geht was Neues vor, ich hört ’nen schönen Engelchor ...“ Darauf sagt das Christkind: „Christkindlein werd’ ich genannt. Allen Kindern wohlbekannt, die früh aufstehen und beten gern. Denen will ich alles wohl bescher’n. Die aber solche Bösewicht sein und schlagen Brüder und Schwesterlein, die kommen in die Höll’ hinein.“ Die Texte wurden von Generation zu Generation überliefert. 

Das Christkind hält einen Korb mit süßen Plätzchen. Es bittet die Kinder, sich Plätzchen aus dem Korb zu nehmen und Geschenke abzuholen. Freilich trauen sich die Kleinen oft nicht gleich, den ersten Schritt zu machen. Doch durch Zureden wagen sie sich dann doch ins Rampenlicht. Die verpackten Geschenke, die die Kinder erhalten, hat die Familie zuvor im Hausflur an das Christkind übergeben. 

Sind die Plätzchen und Geschenke verteilt, kommt der Auftritt des Mohren. Sein Vers lautet: „Ich bin der König aus dem Morgenland. Die Sonn’ hat mich schwarz gebrannt. Wär’ ich geboren an der See, wär’ ich viel weißer als der Schnee.“ Die Szene soll an den Besuch der Heiligen Drei Könige beim Jesuskind erinnern. 

Weihnachtsbotschaft wird überbracht

Am Ende setzt sich auch der Hirte mit langem weißen Bart, einem Hut und grünem Mantel in Szene. Mit seinem Stab stößt er dreimal auf den Boden. Ihm ist es vorbehalten, die Weihnachtsbotschaft zu überbringen: „Als ich bei meiner Herde Nachtwache hielt, erschien mir der Engel des Herrn und brachte mir die frohe Botschaft, dass in der Stadt Davids der Heiland geboren sei, welcher ist Christus der Herr.“ 

In Händen hält der Hirte eine Laterne. Mit der brennenden Kerze bringen die jungen Darsteller ein Friedenslicht ins Haus. Nachdem die Gruppe ein frohes Weihnachtsfest gewünscht hat, zieht sie mit ihrem hell klingenden Glöckchen und der Laterne zum nächsten Haus weiter. Bis alle Häuser in dem rund 170-Einwohner-Ort besucht sind, dauert es einige Stunden. 

Bevor sich die Akteure auf den Weg machen, um symbolisch das „Licht von Bethlehem“ zu den Menschen im Dorf zu bringen, hält die Gemeinde an Heiligabend in der örtlichen Kirche eine Lichterfeier ab. Durch Gebet und Gesang bereiten sich die Breitenseer meditativ auf die Heilige Nacht vor, bevor die Wortgottesdienstbeauftragte Monika Heusinger das Christkind und seine Begleiter segnet und aussendet.

Besondere Ehre 

Im vergangenen Jahr war Franziska Schneider das Christkind. Die 16-Jährige stammt aus Breitensee und besucht im nahen Bad Königshofen die Realschule. Das Amt übernehmen zu dürfen, sei eine besondere Ehre gewesen, sagt sie. Lampenfieber habe sie eher nicht verspürt – denn schon 2021 gehörte sie als Anführer mit der Glocke in der Hand zu der Gruppe. Und auch bei den Sternsingern hat Franziska schon Erfahrung gesammelt. 

Gerade die Kinder zwischen zwei und vier Jahren haben vor dem Christkind und seinen Begleitern oft viel Respekt, erzählt die junge Frau. „Wenn sich im Haus alle über uns gefreut haben, konnten auch meine Begleiter und ich zufrieden sein und sich freuen“, sagt Franziska. Für den diesjährigen Umgang hat sie ihr Amt allerdings an die 15-jährige Leonie Gill weitergegeben. Sie selbst bleibt dem Team als Hirte erhalten.

Weniger Schulkinder

Schauspieler zu finden, wird zum Leidwesen der Brauchtumspfleger zunehmend schwieriger: Im Ort gibt es nicht mehr so viele Schulkinder wie einst. In den Nachbardörfern nach Darstellern zu suchen, kommt aber wegen der Brauchtumsregeln nicht in Betracht. Man behilft sich stattdessem, indem man auf jüngere Breitenseer setzt: Schon Elfjährige werden nun in die Tradition eingeweiht. Früher fing die Auswahl erst bei den 15- und 16-Jährigen an.

So gut es geht, helfen die Menschen auch hinter den Kulissen: indem sie sich um die Kostüme von Christkind und Co. kümmern oder die Plätzchen backen, die die Gabenbringer an die Breitenseer Kinder verteilen. Denn eines ist klar: Nur wenn alle an einem Strang ziehen, kann der Brauch im Dorf erhalten bleiben.

Josef Kleinhenz